Mit dem 111. Schuss brandet auf dem Müllenbacher Festplatz Jubel auf. Dr. Stefan Viebahn hat soeben den letzten Fetzen des ,Turmfalken der Grafen von Moellenbick‘ aus dem Schießkasten geholt. Nach zweieinhalb Stunden des harten Ringens ist der 46-Jährige neuer Regent des Schützenvereins Müllenbach. Zusammen mit Ehefrau Andrea wird er die Grünmützen durch die Saison 2010/2011 führen. Viebahn ist seit 1981 Müllenbacher Schütze. Und er schreibt seit dem Jahr 1996 für das traditionsreiche Festbuch – zunächst als Autor der Nachlese, seit 2001 verfasst er die Königsinterviews. Der Leser schätzt seine feinsinnigen und humorvollen Formulierungen.
Acht Bewerber hatten sich in die Schießliste eintragen lassen, um den Prachtvogel von Schreiner Felix Niehaus und Maler Reiner Haffke in Kleinholz zu zerlegen. Um 16.45 Uhr leitete Christoph Lusebrink aus Kalsbach mit einem gezielten Schuss auf den rechten Flügel das langsame Ende des Turmfalken ein. Eine dreiviertel Stunde später war es erneut Lusebrink, der die Zuschauermenge in Aufregung versetzte: Er schoss den kompletten Vogel ab – bis auf einen kleinen Klotz, der noch am Nagel baumelte. Es brauchte drei weitere Aspiranten bis Viebahn endlich seinen Fangschuss setzen konnte.
Gut 24 Stunden zuvor hatte das 453. Schützenfest mit dem Platzkonzert an der Friedenseiche offiziell begonnen. Der Musikverein „Hoffnung“ Hünsborn stimmte mit Märschen ein, Punkt 18 Uhr rief die Salutkanone ,Dicke Berta‘ lautstark zum Antreten. Bevor es zum Gottesdienst ging, legte der Schützenzug auf dem Ehrenfriedhof einen Kranz nieder.
In der rappelvollen Festhalle begrüßte Schützenchef Reiner Schenk viele Ehrengäste. Besonders hob er die vielen Mitglieder hervor, die mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit das große Fest erst möglich machen. Bürgermeister Uwe Töpfer und der Heier Schützenvorsitzende Sven Wottrich sprachen Grußworte. Das musikalische Programm gestaltete der Musikverein Hünsborn erstmals seit vielen Jahren wieder gemeinsam mit dem MGV Müllenbach. Die Festgäste dankten für die Rückkehr ihres Chores mit viel Applaus. Verdiente Mitglieder lobte der Vorstand mit mehreren Auszeichnungen. Der langjährige Chefkanonier Günther Schoppmann, seit 1965 für das Böllern zuständig, erhielt den Ehren-Brief. Die zweithöchste Auszeichnung ging mit dem Orden der Grafen von Möllenbick an Volker Klucke, Paul Wernscheid und Norbert Pastuschka. Oberleutnant Thomas Voss feierte sein 25-jähriges Offiziersjubiläum. Träger des Großen Verdienstordens sind nun Jörg Hevendehl, Andreas Kühnel und Axel Wirth. Für treue Dienste erhielten Roland Halbach, Bastian Hollmann, Marco Hombitzer, Ingo Fiedler, Sascha Leff, Andreas Ludwig, Thomas Machinek, Holger Reimer, Peter Sturm und Manfred Viebahn einen Orden. Für 32 Schützen, die ein Jubiläum feierten, spielte der Musikzug ,Alte Kameraden‘.
Dumpfer Böllerknall weckte die Müllenbacher am frühen Sonntagmorgen. Punkt 8 Uhr traten mehr als 300 Schützen am ,Haus Müllenbach‘ an, um zur Residenz von König Jan Bierekoven zu marschieren. Hier versorgten die Hofdamen ihre Mannen mit Bier. Nach einigen Mützentaufen ging’s zum Männerfrühschoppen in die Festhalle. Nachmittags beobachteten viele Schaulustige den großen Festzug durch den Ort. Bei der Krönung am Abend dankte die scheidende Majestät Bierekoven seinem Hofstaat für die tolle Unterstützung. Seinem Nachfolger Stefan Viebahn und dessen Königin Andrea wurde unter feierlichen Klängen Kette und Krone angelegt. Wenig später durfte der neue Hof zur Musik der Gruppe ,Starlight‘ erstmals kräftig feiern.
Der Montagmorgen bot eine Überraschung. Beim schnellsten Kindervogelschießen aller Zeiten ging Marvin Ritter vom Dannenberg siegreich hervor: Nach nur zehn Minuten und acht Schuss war der Gipsadler erledigt. Die meisten der 16 Bewerber waren gar nicht erst zum Schuss gekommen, mancher zog geknickt von dannen. Familien-Frühschoppen, großes Kinderfest und Stopfenschießen waren weitere Programmpunkte. Krönender Abschluss des harmonischen und überwiegend sonnigen Schützenfestes 2010 war der Königsball. Die Band ,Lifestyle‘ hatte das Festvolk schnell im Griff und verlängerte den Feier-Abend bis in den frühen Morgen.